25. XiangQi-EM in Haarlem (16.+17.09.2006)
Mit 40 Teilnehmern (davon 27 Asiaten und 13 "Langnasen") war die Europameisterschaft 2006
sehr gut besucht. Dabei konnte vor der Anreise doch noch kaum jemand wissen, dass die Rahmenbedingungen
des sogenannten "Zhou Shou Ju-Cups" (nach dem Sponsor des Turniers, der neben den sehr
günstigen leiblichen Genüssen - 25 Euro für Essen und Trinken an Samstag und Sonntag! -
auch ein Preisgeld von 3100 Euro zur Verfügung stellte) ideal bis perfekt waren!
Schon allein deswegen brauchte keiner der angereisten Spieler seine Entscheidung bereuen, man konnte sich
also ungeniert in die 7 Runden Schweizer System mit der von der Bundesliga her gewohnten Bedenkzeit
von einer Stunde je Spieler und Partie stürzen.
Rundenberichte Reinhard Knab
7 Partien aus Haarlem
Zu den vorstehenden Partien seien einige persönliche Anmerkungen gestattet,
Ungenauigkeiten in der subjektiven Einschätzung bitte ich zu entschuldigen (Bezifferung = Runde):
- In Runde 1 an Brett 2 hat man nichts zu verlieren. Gegen den Europameister von 1997 (was ich zum
Glück erst später realisierte) verlief die Partie bei beiderseitigen kleinen Ungenauigkeiten
lange Zeit in annäherndem Gleichgewicht. Der früh frech über den Fluss vorgedrungene
Wagen des Gegners wurde erfolgreich vertrieben, und angesichts eines fehlenden konkreten Plans wollte
ich breits einmal Remis anbieten, besann mich dann aber der Leitlinie, dass ein derartiges Angebot im
Kampf David gegen Goliath nur von letzterem kommen sollte. Wie sich zeigte hatte aber mein Gegner
ähliche Probleme bei seiner Planfindung, denn weder die Eroberung des Randsoldaten noch die
Fesselung der Mittelkanone (Abtausch wäre mir schon in der Partie logischer erschienen!) werden
in der Analyse von XieXie gut geheissen.
Urplötzlich standen dann 4 meiner Figuren auf
idealen Angriffspositionen, was auf jeden Fall schon zu Materialgewinn ausreichte; das zweizügige
Matt kam mir bei knapper werdender Bedenkzeit dann doch ganz gelegen ... :-)
- Die Rache der Franzosen! - bereits in der Eröffnung leistete ich mir den Lapsus auf S3+1 zu verzichten
und fand danach keine vernünftige Möglichkeit mehr, der "zweiköpfigen Schlange"
eines ihrer Häupter effizient abschlagen zu können. Die zu früh eingeleitete Befreiungsaktion
(E7-9 und/oder S9+1 hätte man wohl erst noch einstreuen sollen) verlor dann eine Figur und damit die Partie.
- Eine weitere Partie gegen einen eigentlich übermächtigen Gegner - der allerdings, wie vor allem
der Sonntag zeigte, seine Stärke aus Eröffnungsfallen sowie einem Hang zum Zocken schöpfte.
Wiederum ein aktiver gegnerischer Eröffnungsverlauf mit Wagenvorstoss, der unter Soldatenopfer/-tausch
zurückgeworfen wurde. Nach einigen Umgruppierungen liess sich mein Gegner dann überrumpeln und
begann endlich länger nachzudenken, doch mindestens eine Figur musste er schon opfern um mit dem Wagen
aus dem Zentrum entweichen zu können. In zunehmender Zeitnot versuchte ich das Spiel mit P5-3 und
Rückgabe der Figur nebst weiteren indirekten Tauschaktionen zu vereinfachen, doch mein Gegner behielt
das Material auf dem Brett und lehnte mein Remisangebot ab, da er sich mit 6 Minuten gegen meine 3 Minuten
noch Siegchancen ausrechnete - um nur wenige Züge später seinen Wagen einzustellen ... und seinerseits
nun Remis anzubieten. Aber 2 Minuten auf der Uhr sollten in einer totalen Knebelstellung mit direktem Gewinnplan
selbst mir ausreichen :-)
Damit 2 aus 3 am Samstag bei einem Erwartungswert deutlich kleiner als 0,5 - ein ganz toller erster Tag!
- Der Sonntag Morgen brachte mit Weng Hanming einen Mitfahrer aus und nach Nürnberg, der dennoch zunächst
nicht zu einem schnellen Friedensschluss zwecks Kraftersparnis zu bewegen war. Aber zum dritten Mal gelang es mir,
die frühzeitige Aktivität des Gegners in der Eröffnung gegen ihn zu kehren und ein gutes Spiel
zu bekommen, dass ich dann aber lieber wieder in ruhigere (Remis-)Bahnen lenkte - statt des Schlusszuges wäre
die Mittelkanone eine aktive Alternative, doch das sich dann ergebende Spiel mit (leichtem) Vorteil muss man
auch erst einmal korrekt bis zum Ende behandeln ...
- Die zweite Schwarzpartie mit Parallelen zur zweiten Runde: der Befreiungsversuch aus einer
bereits beengten Stellung führt zu Materialverlust, wenngleich ich nicht weiss ob der Gegner die
Möglichkeit K4=7 bereits beim Eindringen der Kanone gesehen hatte ... Letzte Schwindelchancen meinerseits
wurden leider abgewehrt, die zweite Niederlage nicht zu vermeiden.
- Erneut Schwarz im Duell gegen Jouni Rämo, dem später Sieger der Nicht-Asiaten-Wertung. Obgleich
dieser mein Remis-Angebot zunächst ablehnte einigten wir uns nach der ersten Abwicklung im frühen
Mittelspiel auf die Punkteteilung, da uns beiden nach 18 Zügen jeweils nur noch 15 Minuten zur
Verfügung standen; eine typisch europäische Schlacht auf einem Flügel um die Beherrschung von
einzelnen Linien und Punkten, fast schon West-Schach mässig ...
- Die Auslosung der letzten Runde hatte es von den Gegnern her einigermassen gut mit Jouni und mir gemeint, da
wir auf zwei ältere Asiaten vom Typus des erfahrenen Kaffeehaus-Spielers trafen (Michael Nägler und
Andreas Klein, die schärfsten Konkurrenten, hatten da andere Kaliber erwischt). Während Jouni am
Ende - er wollte eigentlich Remis durch Zugwiederholung herbeiführen als sein Gegener dieser im letzten
Moment noch auswich und sich stattdessen lieber Matt-Setzen liess - noch den ganzen Punkt einfahren konnte
war mein Mittelspiel zu weich, so dass ich lieber die Notbremse in Richtung meines geliebten Unentschiedens
ziehen wollte. Zu früh, wie mein Gegner meinte, der dann noch einige Züge lang meine Fähigkeiten
im Leichtfiguren-Endspiel antestete, um dann doch in wohl völlig ausgeglichener Stellung ins Remis einzuwilligen.
Wie sich letztendlich herausstellte war dieser halbe Punkt wohl nicht nötig, da die Mitkonkurrenten in
der zu Beginn des Turniers für mich eigentlich uninteressanten Nicht-Asiaten-Wertung nicht wirklich
punkten konnten...
Somit 3,5 Punkte aus 7 Partien bei 6 asiatischen und 5 nominell überlegenen Gegnern! Dies bedeutete auf einmal
Platz 2 in der Nicht-Asiaten-Wertung (und viel Geduld bei Siegerehrung, den Fototerminen und dem Glückwunsch-Marathon)
hinter Jouni Rämo, für den sich die weite Anreise sowie das
Mitbringen des Glücks-Papageis wirklich gelohnt hat! Zudem durfte er - auf der Sitzung der EXF am Samstag
beschlossen - auch den Auftrag zur Organisation der nächsten Europameisterschaft mit nach Finnland nehmen :-)
Und hier noch zum Abschluss der Link auf die Abschlusstabelle, die mir hoffentlich noch lange in guter Erinnnerung
bleiben wird:
Abschlusstabelle